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Mit Kindern über Terror reden

17. Juli 2016

Eine Eilmeldung auf dem Handy: Anschlag in … . Mit dieser Nachricht tritt ein Ausnahmezustand ein, natürlich in dem jeweils betroffenen Land, aber auch – innerlich – bei mir. Ohnmacht, Angst und Wut machen sich in mir breit.

Kinder kriegen diese schrecklichen Nachrichten auch mit, sie erfahren es von ihren Eltern, aus dem Fernsehen, über ihr Handy oder am nächsten Tag in der Schule von ihren Freunden.

Da sich die Anschläge in den letzten Jahren häufen, fragten wir uns im Team immer wieder, wieviel besprechen wir mit den Kindern, was würde sie noch mehr beunruhigen, was ist wichtig, wieviel ist Zuviel, und in welchen Rahmen macht das Sinn? Es löste erstmal Hilflosigkeit aus. Man kann diese Dinge, Bilder und Zahlen doch selbst nicht begreifen!

Klar ist, ich kann hier keine perfekte Antwort liefern und ich teile hier einfach ein paar Gedanken dazu. Denn immer wieder höre Kindergespräche mit an, die Angst und Beunruhigung beinhalteten.

Miteinander reden

Das Wichtigste ist, dass Kinder DIE MÖGLICHKEIT haben über diese Ereignisse zu sprechen! Und über ihre Ängste und Sorgen. Ihre Ängste sind berechtigt! „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, stimmt einfach nicht.

Mehr Zuhören als reden

Höre bei den Kindern erstmal nach, was habt ihr gehört, mitbekommen, gesehen? Wie fühlt sich das an?

Sei authentisch

Das kann Kindern helfen Ausdrücke für ihre inneren Gefühle zu bekommen. „Ich habe auch Angst, ich fühle mich ohnmächtig, ich bin wütend, traurig, entsetzt, verzweifelt, …“. Kinder lernen so auch selbst sprachfähig für diese inneren Gefühle zu werden.

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Trost, Schutz und Sicherheit

Sind sehr wichtig!  Vermittle den Kindern Schutz: „Ich bin da! Jetzt – hier – grad ist alles gut und sicher“, „Trotz vieler Ereignisse in letzter Zeit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass uns etwas passiert“, „Wir passen auf dich auf“.
Ermutige auch die Eltern, dass sie mit ihren Kindern sprechen und ihnen Sicherheit vermitteln und Trost spenden, wenn diese Gedanken und Themen bei den Kindern aufploppen. Viele Kinder brauchen in diesen Phasen vermehrt Zuwendung und mehr Körperkontakt, der auch Sicherheit und Schutz vermittelt.

Nicht jedes Kind braucht diese Gespräche! Und dann ist das auch ok.

Vielleicht kommt erst Wochen später eine Frage eines Kindes, die in diese Richtung geht und dann ist es wichtig, dass du dir Zeit nimmst!!
Ein Junge aus meiner Gruppe erzählte mir Wochen nach den Anschlägen in Paris, dass seine Cousine bei dem Konzert dabei gewesen war.

Informieren und erklären

Je nachdem mit welchem Alter du zu tun hast, kannst du dich zusammen mit den Kindern mit den Hintergründen beschäftigen (ab Grundschulalter).

LOGO! hat oft sehr gute Darstellungen und berichtet wirklich gut und kindgerecht von diesen Ereignissen. Flimmo TV hat auch immer aktuelle Infos und Linkzusammenstellungen für Kinder zusammengefasst.

Manchmal ist es gut (ohne zu viele Details) zu erklären, was genau passiert ist. Sonst spinnen sich die phantasiereichen Köpfe der Kinder viele mögliche Varianten zusammen.

Wenn Kinder bereits schreckliche Bilder  gesehen haben, berede sie unbedingt mit ihnen.

Falls nicht, sollte das auch so bleiben: Kinder müssen keine schrecklichen Bilder zu Gesicht bekommen! Das können sie, wenn sie älter sind selbstständig entscheiden, bis dahin ist keinem geholfen, wenn diese furchtbaren Bilder in ihren Köpfen herumspuken.

Verarbeiten

Kinder verarbeiten diese Informationen auf die verschiedensten Weisen. Nach Anschlägen merkt man, die Kinder schnappen Fetzen auf. In unserer Gruppe spielten sie IS und Krieg und Abschießen. Sie bauten mit Lego diverse Situationen nach.

Das war ihre Art es aufzuarbeiten, bitte nicht verbieten, aber unbedingt zusammen thematisieren.

Etwas Äußerliches tun um das Innere auszudrücken

Du kannst…

… mit den Kindern eine Kerze anzünden

.. weiße Ballons steigen lassen, eine Botschaft dranknoten an die Opfer oder deren Angehörigen oder einem Wunsch/einem Gebet

… kleine Schiffe beschriften und sie in einen Bach setzen

… eine Flaschenpost verschicken

… Herzen ausschneiden und beschriften und sie an vielen bunten Schnüren unter der Decke aufhängen

… Wutbälle (Knautschbälle) basteln

… ein großes Fragezeichen für unser Unverständnis aufhängen, auf dem jeder unterschreibt oder einen Fingerabdruck macht

… Bilder malen

… Blumen niederlegen (ein gemeinsamer Ort in der Schule kann dafür hergerichtet werden)

… etwas pflanzen, als dauerhaftes Gedenken

… eine schwarze Trauerbinde basteln (wie die Fußballer)

… auf einem Globus oder auf einer Landkarte Herzen in das jeweilige Land kleben

Du kennst „deine“ Kinder am Besten, und weißt was gut für sie passen könnte. Vielleicht fällt dir -inspiriert durch diese Ideen- noch etwas ganz anderes ein, dann lass es mich doch gerne in den Kommentaren wissen.

Kinder können oft viel schneller wieder zur Tagesordnung gehen, der Alltag geht weiter. Das ist gut so. Zieh das Thema nicht unnötig in die Länge und akzeptiere, dass Kinder es anders verarbeiten und oft auch nicht so viele Worte brauchen.

Tausch dich mit deinen Kolleg*innen aus, diese Themen und die Reaktionen der Kinder beschäftigen und berühren uns sehr, Reflektion und Austausch ist so wichtig!!

Ich freu mich sehr, wenn du einen Kommentar hinterlässt: was sind deine Erfahrungen, wie hast du es bisher thematisiert, wie gehen die Eltern mit dieser Thematik um, was treibt die Kinder in deiner Gruppe um??
Ergänzungen und Erfahrungsberichte sind unbedingt erwünscht!!

Ich wünsche dir einen guten Umgang mit diesen Themen! Ich wünsche uns, dass die Kinder, die wir begleiten, Friedensstifter in dieser Welt sind: hier noch ein Artikel über den Frieden in unserer Welt über Astrid Lindgren.

Hier noch zwei paar hilfreiche Links zum Thema:

Mit Kindern über Attentate sprechen – Blogbeitrag für ein Gespräch zwischen Eltern und Kind, sehr konkret.

Über Terror sprechen – kurzer Text mit differenzierten Vorschlägen zu Kita- und Schulalter

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1 Comment

  • Reply Rahsan 18. Juli 2016 at 22:31

    Also meine Kinder bekommen das über das Radio im Auto mit. Und sie fragen nach. Ich erkläre ihnen den Hintergrund, soweit es geht. Gerade der Militärputsch in der Türkei , da Oma und Opa dort sind im Moment. Habe ihnen erklärt, dass es Oma und Opa gut gehen und damit war es gut. Zuviele Details wollte und brauchte ich Ihnen nicht mitteilen. Was auch in diesem Falle – ca. 8 und 5 Jahre – gut ist.
    Wie du schon richtig gesagt hast, zuviel und sie malen sich die schlimmsten Bilder aus.

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