Im Gespräch mit...

Alan Bern: Über den Sinn des Lebens, Beziehungen und Musik

18. Mai 2018

Heute habe ich mich Alan Bern in Berlin-Neukölln verabredet. Alan Bern ist Komponist, Pianist, Akkordeonist, und er ist Gründer sowie Künstlerischer Leiter des Yiddish Summer Weimar und der Other Music Academy (OMA). Es ist eine dieser Begegnungen, bei denen man denkt, man kennt sich ohne sich jemals vorher gesehen zu haben.

Alan erzählt von seinen letzten Workshops, die er gerade in Berlin hatte. Er ist kein typischer Lehrer, der in seinen Stunden den Teilnehmenden beibringt „wie es geht“. Er fordert seine Teilnehmer*innen heraus, improvisiert.  Es ist sein Ziel, jeden Einzelnen individuell zu sehen und zu unterstützen, und sich komplett auf die Lernsituation einzulassen. Hier ist nichts formalisiert. Es gibt kein Schema F.

Er berichtet, dass er selbst manchmal nicht weiß, wie er nun am Besten weitermacht, überfordert ist, aber das ganz transparent mit der Gruppe teilt und sagt: „lasst uns gerade deswegen weiter machen“.

Kinderwärts: Wenn jemand das Schulsystem durchlebt hat und dann in deinen Workshop kommt, könnte ich mir vorstellen, dass er denkt: Moment mal, der soll mir doch was beibringen! Nach dem Motto „servier mir etwas“, damit ich es konsumieren kann. 

Alan Bern: Ja, Menschen müssen sich darauf einlassen und beide Seiten benötigen dafür Vertrauen. Wenn sie jedoch feststellen, jeder hat hier Raum für sich, muss dabei die Gruppe nicht verlassen und sie werden dennoch ganz individuell und in ihrem Prozess von mir gesehen, dann lassen sie sich darauf ein.

Lernen und Beziehung

A: Jedes Lern-Verhältnis ist eine Beziehung. Alles andere ist eine Formalisierung und wird dadurch unlebendig. Und ich glaube, wenn man in Beziehung miteinander ist, ist ein ganz anderes Lernen möglich.

Wir beide haben jetzt zum Beispiel grad ein Gespräch und kennen uns nun schon ein bisschen. Wenn ich nun plötzlich verunsichert in meinen Worten wäre, du würdest nicht denken, oh der weiß ja überhaupt nicht Bescheid oder kennt sich nicht aus. Du würdest eher denken: interessant, er zeigt mir sogar, dass er verunsichert ist. Du würdest Respekt gewinnen und nicht verlieren. Das wäre so, weil wir schon eine Beziehung haben. Es ist natürlich schwerer mit 30 Personen gleichzeitig in Beziehung zu treten.  

K: Ja, das stimmt, aber dein Beispiel zeigt ja genau, manchmal braucht man gar nicht so viel Zeit. Wir kennen uns eben seit einer halben Stunde und haben diese Beziehung nun schon miteinander. Es kann ganz viel in kurzer Zeit passieren, wenn wir eine Offenheit besitzen. Kinder bringen diese Offenheit ohnehin mit.  

A: Das Allerwichtigste sollte der Kontakt zwischen jungen Menschen und Lehrer*innen in diesen Lernprozessen sein. Ich denke, wir sollten 4 bis 5 Schüler*innen auf eine Lehrer*in haben. 

Wenn wir eine fürsorgliche Gesellschaft hätten, dann würden die Lehrer*innen die besten Gagen bekommen, alle würden diesen Job haben wollen und wir hätten eine ganz tolle Ausbildung für sie. Und das Problem ist nicht, dass wir nicht wüssten, wie das geht, sondern wir haben andere soziale Prioritäten. Da kann man nicht drumherum reden, es ist so.  

K: Ja, ich habe auch lange gebraucht, genau das zu verstehen. Es gibt so viel Erkenntnisse, Studien und Wissen, die genau das bestätigen. Für alle, die Beweise brauchen, liefert die Hirnforschung sie und warum setzen wir dies nicht ENDLICH in unseren Schulen um? Aber die Gesellschaft will es nicht und sieht es nicht vor. 

Also habe ich gemerkt, ich kann aufhören zu strampeln, es wird wahrscheinlich keine Reform des Systems geben. Es wird hoffentlich aus den Kindern und Schülern heraus entstehen, die sagen werden: Wir machen das nicht mehr mit. Und es gibt viele Menschen, wie dich und mich, die es anders machen wollen. Das macht mir Mut.

A: Man sagt ja immer, die Gesellschaft wird immer roher, aber ich glaube eher: wir werden menschlicher. Mehr und mehr Menschen verstehen diese Sachen. 

Die Menschen lieben

A: Wenn ich sage, dass ich mit den jungen Menschen in Beziehung bin, bedeutet das für mich (Alan macht eine lange Pause) sie wirklich zu lieben. 

In hatte einen Musik-Workshop in einem Gymnasium für Begabte. Es ging dabei um Musik-Improvisation. Diese Kinder und Jugendlichen müssen natürlich die ganze Zeit zeigen, wie gut sie spielen können, ohne Fehler usw. Improvisation stellt für sie erstmal ein großes Risiko dar. Was sollen sie nun spielen? Man darf keine Fehler machen. Aber was ist denn ein Fehler ohne Noten?

Für diese Kinder war das eine absolute Verunsicherung. Viele haben gesagt, sie wollen das nicht und sie können das nicht. Nach 15 Minuten haben sie mit so großer Lust, Spielfreude und Improvisation gespielt…

Danach haben mich die Verantwortlichen gefragt: Was machst du und wie machst du das? Kannst du ein Buch darüber schreiben?

Ich habe lange darüber nachgedacht, es ist nämlich kein System, keine Methode. Was ich in erster Linie mache, ist ihnen zu zeigen, dass ich total liebe, was sie jetzt gerade tun. Dass sie überhaupt keine Angst vor mir haben müssen, wenn sie einen „Fehler“ machen. Ich zeige ihnen, wir können über unsere Fehler zusammen lachen. Ich habe selbst Millionen Fehler gemacht und alle Fehler können sogar irgendwie lustig sein.

Wir wollen etwas Bestimmtes machen und stattdessen machen wir etwas Anderes. Das ist eigentlich die Ursituation von Komödie, ich möchte links, stattdessen gehe ich rechts. Ich kann mich dann fragen, warum mache ich das und was kann ich davon lernen.

„Ich genieße total, was sie machen!“

Ich möchte sie nicht von oben herab beurteilen, sondern ich gucke, bleibe bei ihnen, bin mit ihnen zusammen und genieße total, was sie machen. Für mich und für die Lernende gilt das Gleiche: Unsicherheit heißt nicht Verunsicherung, sondern sie zeigt einen wirklich offenen Moment in einem Lernprozess. 

Wenn ich sage, ich liebe den Prozess, darf ich nicht enttäuscht sein, wenn der Prozess anders verläuft als ich es gerne hätte. Weil dann ist es narzisstisch und es ist lediglich mein Prozess. 

Das ist sogar schlimmer als Gleichgültigkeit. Wenn du gleichgültig bist, hat der andere noch seinen eigenen Raum. Aber wenn du diesen Raum einnimmst, mit einem vermeintlichen „Ich liebe so sehr, was du machst und wie du bist und will dich unterstützen“, gibst du der Person keine Luft zum Atmen und sie wird die ganze Zeit versuchen, dich zufrieden zu stellen und sie wird sich von ihrem eigenen Lernprozess entfremden. So bekommt man vielleicht immer eine gute Note, aber lernt nicht selbstbestimmt, und ist immer von einem Außen abhängig. 

K: Für den Lehrenden hat das sehr viel mit eigener Arbeit zu tun. 

A: Genau, du kannst darüber nicht in einem Buch lesen oder es dir von dem Uni-Professor erzählen lassen und weißt dann, wie es geht. Du musst dich mit dir selbst auseinandersetzen. Du brauchst selbst viele, viele Male in denen du selbst scheiterst, in denen du enttäuscht bist und in denen du lernst, damit umzugehen.  

K: Wir senden vor allem im kulturellen Rahmen oft die Botschaft, du bist toll, weil du das Instrument kannst oder weil du es auf die Bühne geschafft hast. Ich hadere damit, weil die Botschaft an Kinder sollte doch sein: Du bist toll. Punkt. 

A: Absolut. Man darf und soll sich aber trotzdem über Erfolg freuen. Und man sollte Prozesse nicht vornherein loben und sagen, alles ist eh toll. So würden wir ja niemals Ehrgeiz entwickeln, und dieses eigene Wollen der Kinder ist eben total wichtig.

K: Erzähl mir doch, wie ihr das in der OTHER MUSIC ACADEMY umsetzt und warum du diese überhaupt gegründet hast?

A: Eigentlich ist die OMA eine Reaktion, auf eine ganz ganz tiefe Sinneskrise, die ich in unserer Gesellschaft erlebe. Ich habe wirklich das Gefühl, dass die westliche Gesellschaft knapp über einem Abgrund an fehlendem Sinn lebt.

Ich glaube nicht, dass eine Rückkehr zu traditionellen Formen von Religion die Lösung sein kann. Man sieht sehr viel Neo-Fundamentalismus auf der Welt, unter Christen, unter Muslimen, unter Juden. Es gibt das überall. Diese neue Welle ist auch eine Reaktion auf diese Sinneskrise. Wir haben mittlerweile verstanden, dass Konsum auch nicht die Lösung sein kann. Romantische Liebe ist wunderbar, ist aber auch nicht die letzte Lösung. Es wird uns zwar immer verkauft als die Lösung und wir denken, wenn ich das nur habe, dann bin ich glücklich. Aber alles, was mit Begierde zu tun hat, ist auch keine Lösung

K: Wie bist du zu einer Antwort gekommen?

A: Ich habe einfach reflektiert, zu welchen Gelegenheiten hatte ich das Gefühl, dass das Leben sinnvoll ist. So richtig sinnvoll. Das war immer dann, wenn ich in einer wirklichen Begegnung war, entweder mit mir selbst oder mit einer anderen Person. Nicht wo wir Antworten entdeckt haben, sondern wo wir wirklich über uns erzählen konnten oder wo ich irgendwie in der Lage war, von mir selbst zu erzählen.

Eine Begegnung, in der man sich gegenseitig voneinander erzählt und erkennt, mir gegenüber ist ein anderer Mensch und dieser Mensch teilt sein Leben und seine Welt mit mir. In diesem Moment denkst du gar nicht darüber nach, ist das sinnvoll? Denn du bist voll drin. 

Und für mich war dann also die Frage, könnte man eine Institution schaffen, wo das die Mission und die Vision ist. Der Sinn dieser Institution ist nicht, Fragen zu beantworten, noch nicht einmal Fragen zu stellen. Sondern einfach eine Plattform zu sein, wo Menschen sich auf dieser Ebene begegnen können. 

Wie man das umsetzen kann, ist die große Frage! Und ich weiß die Antwort darauf auch nicht. Ich empfinde das erstmal so und versuche, eine Form dafür zu erfinden, die einen Anfang ermöglicht.

Es gibt sicherlich auch andere Leute, die diese Frage auch haben und versuchen Antworten und Lösungen dafür zu finden. Ich finde, das sollte die oberste Priorität unserer Gesellschaft sein, dass wir ALLE unterschiedliche Versuche machen, so etwas zu finden. 

Die großen Ideologien haben sich ausgespielt im 20. Jahrhundert und wenn wir es nicht schaffen, diese andere Ebene zu kreieren in der dieser Sinn entsteht, dann kommt die nächste ideologische Welle, zum Beispiel „Make America great again“. 

Hinter dieser Aussage sehe ich Verzweiflung. Das sind Leute, die von einer großen Idee weggetragen werden wollen. Es kann eine große Idee sein, es kann eine große Figur/Person sein, es kann Jesus sein, Trump, Hitler, … Jemand, der mir die Verantwortung abnimmt. Das sehe ich und höre ich hinter diesem Wunsch. Ich bin auch nicht neutral und kann diesen Wunsch durchaus verstehen. Es bringt ja auch ein Gefühl von WIR und Zugehörigkeit mit sich und das sucht jeder.

K: Ja, das bringen wir alle mit auf die Welt. Den tiefen Wunsch nach Bindung, Beziehung und Zugehörigkeit und dem gleichzeitigen Wunsch nach Autonomie und Individualität.

A: Ja, davon bin ich auch überzeugt, jeder Mensch, jedes Wesen ist ein Zwischending aus Individuum und Teil eines Kollektivs. In meinen Workshops findet das im Mini-Kleinformat statt: Wie kann ich ein Individuum sein und trotzdem zu einer Gruppe gehören? Mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit wird befriedigt und trotzdem bin ich ganz bei mir, genau dieses Gleichgewicht. 

Das waren meine Gedanken, als es um die Anfänge der OMA ging. Diese Gedanken und Umsetzungen sind Entwürfe, es sind Ideen und wir versuchen es einfach. Wir wissen nicht, ob es so funktioniert. Aber ich finde, man braucht genau an diesem Punkt tausende Versuche, um herauszufinden, was funktionieren kann und was nicht.

Es geht darum, viel Raum für Gemeinschaft zu schaffen und eine Community zu bilden. Beim Yiddish Summer und bei der OMA macht nicht jeder seinen Workshop und geht nach Hause, sondern wir sind ganz viel zusammen. Wir haben auch Zeit für einzelne Einheiten in kleinen Räumen, aber wir kommen immer wieder zusammen. Ähnlich organisiert wie Barcamps. Ein Zusammenspiel zwischen kleinen Gruppen und Einheiten und großer Gemeinschaft, man trägt Ergebnisse zusammen, findet sich wieder in neuen Gruppen usw. Es hat etwas Pulsierendes. 

„Die Landkarte ist nicht die Landschaft.“

Alfred Korzybski hat einmal gesagt: „Die Landkarte ist nicht die Landschaft.“ Wir gehen in unserer Bildung, sehr viel mit Karten um und wenig mit der Landschaft selbst.

K: Ich denke, das ist so, weil die Lehrer*innen unsicher sind, ob sie die Landschaft wirklich kennen. Und eine Karte vermittelt dir ja erstmal Sicherheit. 

A: Und sie sagt dir, was wichtig ist und was nicht. Man hält sich viel lieber an der Karte fest. Prüfer*innen und Lehrer*innen werten auch die erbrachte Leistung anhand dieser Karte aus. Aber wenn wir immer nur auf die Karte schauen, lernen wir die Landschaft niemals kennen.

Das hat Konsequenzen, wie wir mit Musik, mit Tanz, insgesamt mit Kultur umgehen. Deswegen wollen wir experimentelles Lernen, also Learning-by-doing. 

Es gibt einen schönen Unterschied im Englischen zwischen knowing-how and knowing-that. Ich kann es oder ich weiß es. Ich weiß wie es geht, heißt noch lange nicht, dass ich es auch kann! Du weißt es wahrscheinlich von jemanden, der dir gesagt hat, wie es geht. Und der hat es von anderen zuverlässigen vertrauenswürdigen Personen, dass es so ist. Ich hab es nicht selbst versucht oder erfahren. 

Unsere Intelligenzen

K: In einem anderen Gespräch von dir habe ich gelesen, dass du über verschiedene Intelligenzen gesprochen hast und darüber, dass alle Arten gesehen und wertgeschätzt werden sollen. Kannst du mir von dieser Idee und diesen Gedanken noch mehr erzählen?

A: Alle unsere Erfahrungen, sind Widerspiegelungen von unseren Intelligenzen. Jede Kultur und jede Gesellschaft erkennt verschiedene Intelligenzen und bestimmt sie als intelligent, andere sind unsichtbar und andere werden sogar sehr negativ besetzt. Sie werden also sozial verschieden bewertet.

Zum Beispiel war die körperliche Intelligenz einhergehend mit einer sexuellen Intelligenz über Jahrhunderte verteufelt in Europa. Deshalb haben viele Europäer übrigens Probleme beim Tanzen, erst Elvis hat uns geholfen wieder zu erkennen, dass wir eine Hüfte haben.

K: Gott sei Dank, gabs Elvis. 😉

Menschen die diese vermeintlich „falschen Intelligenzen“ haben, werden sozial schwer benachteiligt oder sogar verfolgt. Dieselben Menschen in einer anderen Kultur wären vielleicht Machtinhaber und würden dafür gelobt werden. Ich habe einen Freund, der ein sehr besonders Zeitgefühl hat, für uns ist es eher außergewöhnlich und negativ. Er tut alles sehr langsam und ohne Hetze. Er kann nicht so gut in dieser Gesellschaft funktionieren, in andere Gesellschaften würde er prima reinpassen. Seine zeitliche Intelligenz, eben ganz anders mit der Zeit umzugehen, ist hier nicht gefragt. 

„Wir brauchen einander!“

Jeder Mensch kann nur in der Begegnung mit anderen erkennen, welche Intelligenzen er mitbringt. Du kennst sie nicht und weißt nicht, dass es besonders ist, bis du jemanden getroffen hast, der andere Intelligenzen verkörpert. Denn du lebst mit deinen Intelligenzen wie ein Fisch im Wasser. Deswegen ist jede Begegnung mit den Anderen so wichtig. Nicht aus Toleranzgründen, sondern nur so können wir über uns selbst lernen. Wir brauchen einander. 

Deswegen sind Begegnungen nicht nur etwas Schönes und man fühlt sich wohl, sondern es ist absolut notwendig. Die einzige Möglichkeit weiterzukommen. Nicht weil man politisch korrekt ist oder nett ist oder oder aus Nächstenliebe. Du kannst dich selbst nur durch den Anderen erkennen.

Ich würde mir wünschen, dass all diese Dinge, die täglich erforscht werden und deren Erkenntnisse wir haben, noch mehr zusammengeführt und in der Praxis berücksichtigt würden. Die Gesellschaft lebt aber leider zu oft nach dem Motto: Die können ja mal forschen und ich kauf mir mal ein paar neue Jeans. 

K: Wie findet das konkret in der Other Music Academy statt? 

Ich möchte in unseren Workshops, die Teilnehmenden auf eine andere Ebene bringen. Weg von dem Gedanken, ich tue das, was der Lehrer/die Lehrerin von mir erwartet. Sondern hin zu existenziellen Momenten.  

Wie können wir existenzielle Momente schaffen, in denen wir rausfinden können, wie vertrauenswürdig ist die Person, wie zuverlässig, wie liebevoll. Dies sind die wichtigsten Eigenschaften, die wir eigentlich alle suchen. Aber absurderweise sind sie in unserer Gesellschaft zweitrangig.

„Ich kann das Ziel nur erreichen, wenn du dabei bist!“

Die Idee ist, Menschen in Projekten zusammen zu bringen, wo sie etwas zusammen erreichen wollen und wo sie die Kompetenzen der Anderen brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. Ich kann das Ziel nur erreichen, wenn du dabei bist, wenn ich mich auf dich verlassen kann und wenn du dich auf mich verlassen kannst. Es gibt also Projekte, die herausfordernd und nicht leicht zu schaffen sind, bei denen man viel von sich geben und von anderen nehmen muss. 

Im Moment findet das immer nur punktuell statt, hauptsächlich in der warmen Jahreszeit, denn in unserem Gebäude haben wir (noch) keine Heizung. Wir arbeiten mit Jugendlichen und Erwachsenen zusammen in verschiedenen Projekten . Zum Beispiel in einem Chor mit Juden, Christen und Muslimen, es sind Mädchen von Deutschland, Frankreich und Israel mit sehr unterschiedlicher Herkunft. Sie leben zusammen und müssen miteinander klarkommen und die Chorproben sind eingebettet in das Zusammenleben.

Es geht um menschliches Dasein. Und das bringt meiner Meinung nach immer diese drei Dimensionen mit sich: Kognition, Ästhetik, Ethik. Sie finden nicht nacheinander, sondern gleichzeitig statt. In unserer Konsumgesellschaft wird die ethische Dimension oft ausgeblendet. Unsere ethische Vision ist aber das, was alles andere letzendlich gestaltet . In all unseren Projekten, versuchen wir alle Dimensionen gleichzeitig zu berücksichtigen und zu reflektieren. 

Empowerment Center

Mit unseren Projekten möchten wir Menschen „empowern“. Wenn wir also ein Projekt machen wollen, fragen wir uns, wer wird darüber empowert? Sind das Leute, die eh schon Privilege haben? Also werden reiche Leute zum Beispiel nur noch reicher? Oder werden über dieses Projekt Menschen wirklich mehr Möglichkeiten erlangen? Das Ziel muss sein, immer mehr Möglichkeiten für Menschen zu schaffen, die weniger haben. Für Jeden, auch für uns, ich möchte die Welt auch anders erleben.

Wenn jemand mit viel Geld auf jemanden trifft, der nicht so viel hat oder ganz anders lebt, kann es passieren, dass er von dieser Person vielleicht lernt, das Leben anders zu genießen und dass Geld vielleicht eher arm anstatt reich machen kann.

Wir möchten aber alle Menschen erreichen, nicht nur die, die vermeintlich keine Privilegien in dieser Gesellschaft haben, sondern auch die, die sie offensichtlich haben. Wenn man ein Privileg auf einer Ebene abgibt, kann es passieren, dann man auf einer anderen Ebene bereichert wird, und zwar auf eine Weise, die man vorher hätte nicht ahnen können .

Denn jedes Privileg ist wie eine Mauer zwischen mir und der Person, die dasselbe Privileg nicht hat. Auf der anderen Seite der Mauer sind aber so viele Intelligenzen und Kompetenzen, die ich eigentlich brauche und die uns ergänzen würden. 

K: Wann und wo kann man denn all Dinge erleben und teilhaben, von denen du mir jetzt erzählt hast? Kann zum Yiddish Summer jede*r kommen?

A: Yiddish Summer Weimar ist zugleich ein Sommerinstitut und ein Festival für die jiddische und verwandte Kulturen. Es gibt Konzerte, Filme, Ausstellungen, Diskussionen und vor allem Workshops für Menschen jeglicher Altersgruppe und Herkunft, von absoluten Anfänger*innen bis hin zu Profis.  Menschen aus mehr als 20 Ländern kommen zu uns, und es ist eine wunderbare, warme und offene Atmosphäre. 

Man kann die jiddische Sprache lernen, oder jiddische Vokal- oder Instrumentalmusik (Klezmer) lernen, oder jiddischen Tanz, und vieles mehr. In der Woche von 8.-12. August 2018 gibt’s jeden Abend ein anderes Konzert und tagsüber viele Schnupperkurse, so dass man einfach alles ausprobieren kann. Man kann sich online anmelden unter: www.yiddishsummer.eu Es würde mich wirklich freuen, neue Menschen aus dem Kreis der Leser*innen dieses Blogs kennen zu lernen!  

K: Ich danke dir von Herzen lieber Alan, für deine Zeit, deine Offenheit, deine vielen vielen guten Gedanken und vor allem, dass du nicht nur redest, sondern etwas tust!!

Hier findet ihr die Seiten von →OMA Yiddish-Summer-Weimar Alan Bern  Schaut unbedingt vorbei! Beide Projekte freuen sich über eure Teilnahme, aber auch über Unterstützung jeglicher Art! 

Foto von Alan Bern © by Yulia Kabakova.


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